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Fritlose Änderungskündigung – Umdeutung in ordentliche Kündigung: Was das BAG entschieden hat

  • oliverplate
  • 26. Sept.
  • 2 Min. Lesezeit

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 18.06.2025 – 2 AZR 228/23) hatte über eine Konstellation zu entscheiden, die für Arbeitnehmer in Kündigungsschutzverfahren von großer Bedeutung ist: Was passiert, wenn eine außerordentliche Änderungskündigung unwirksam ist, der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aber trotzdem wirksam ordentlich kündigen wollte?

AusgangslageEin langjähriger Arbeitnehmer war seit 1997 beschäftigt, zuletzt als Technical Project Manager im Homeoffice. Er war früher Betriebsratsmitglied, hatte diese Funktion aber 2017 verloren. Später wurde er von seinem Arbeitgeber „bis auf Weiteres unwiderruflich freigestellt“. Im November 2021 sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist zum 30.06.2022 aus und bot gleichzeitig geänderte Arbeitsbedingungen an. Der Arbeitnehmer lehnte ab und erhob Kündigungsschutzklage.

Er machte u. a. geltend, dass er besonderen Kündigungsschutz genieße, weil er ehrenamtlicher Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit sei, und dass seine Tätigkeit nicht vom Wegfall von Arbeit betroffen sei. Außerdem hielt er die Kündigung nach der brandenburgischen Landesverfassung für unzulässig.

Die GerichteSowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG Berlin-Brandenburg) wiesen die Kündigungsschutzklage ab. Der Arbeitnehmer legte Revision zum BAG ein.

Das BAG entschied differenziert:

  1. Die außerordentliche Änderungskündigung war unwirksam.


    Eine außerordentliche Kündigung darf nur als „letztes Mittel“ eingesetzt werden. Hier hätte der Arbeitgeber auch ordentlich kündigen können. Deshalb war die Kündigung als fristlose Änderungskündigung unverhältnismäßig.

  2. Das Arbeitsverhältnis endete trotzdem – durch Umdeutung in eine ordentliche Kündigung.


    Das BAG wendete § 140 BGB an: Wenn klar ist, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedenfalls beenden wollte (notfalls mit ordentlicher Frist), kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden.


    Die Beklagte hatte schon zuvor mehrfach kündigen wollen und den Arbeitnehmer dauerhaft freigestellt. Es war also offensichtlich, dass sie das Arbeitsverhältnis beenden wollte, falls das Änderungsangebot abgelehnt wird.

  3. Kein besonderer Kündigungsschutz griff.


    Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt kein Betriebsratsmitglied mehr. Auch der Schutz ehrenamtlicher Richter nach der Verfassung Brandenburgs griff nicht, weil das Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg dem Berliner Recht unterliegt und der Arbeitgeber keinen Bezug zum Land Brandenburg hatte.

  4. Kein allgemeiner Kündigungsschutz nach KSchG.


    Der Kläger konnte nicht darlegen, dass er überhaupt einem inländischen Betrieb des Arbeitgebers zugeordnet war. Deshalb war das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar.

Praktische Bedeutung für Arbeitnehmer

  • Wer eine Kündigungsschutzklage erhebt, sollte wissen: Auch wenn eine außerordentliche Kündigung erfolgreich angegriffen wird, kann das Gericht prüfen, ob eine ordentliche Kündigung wirksam ist. Ist erkennbar, dass der Arbeitgeber jedenfalls kündigen wollte, kann die Kündigung umgedeutet werden.

  • Sonderkündigungsschutz (z. B. für Betriebsräte, Schwangere, Schwerbehinderte oder ehrenamtliche Richter) wirkt nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen genau erfüllt sind. Hier scheiterte der Kläger daran, dass er nicht mehr Betriebsratsmitglied war und sein Arbeitgeber keinen hinreichenden Bezug zu Brandenburg hatte.

  • Für die Kündigungsschutzklage gilt: Sie muss stets innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden – auch wenn man meint, dass die Kündigung „offensichtlich unwirksam“ sei. Sonst verliert man alle Chancen.

FazitDas Urteil zeigt, dass eine Kündigungsschutzklage nicht automatisch Erfolg hat, wenn eine außerordentliche Kündigung rechtswidrig ist. Das BAG stärkt die Möglichkeit der Arbeitgeber, fehlerhafte Kündigungen in ordentliche umzudeuten, wenn der Beendigungswille klar erkennbar war. Arbeitnehmer sollten deshalb genau prüfen (lassen), welchen besonderen Kündigungsschutz sie tatsächlich haben, und sich rechtzeitig anwaltlich beraten, um alle Aspekte einer Kündigungsschutzklage umfassend vorzubringen.

 

 
 
 

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